Der Betriebsrat ist bei technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen einzubeziehen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG setzt dabei nicht voraus, dass eine „Geringfügigkeitsschwelle“ überschritten wird.
Worum ging es?
Die Beteiligten stritten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Verwendung von Microsoft Excel zur Erfassung von Anwesenheitszeiten der Mitarbeiter, welche zuvor händisch erfasst worden sind. Der Betriebsrat beantragte die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Betriebsrats (oder einen ersetzenden Spruch der Einigungsstelle) in einer Excel Tabelle entsprechende Einträge vorzunehmen.
Das ursprünglich mit dem Streit befasste Arbeitsgericht Detmold hat dem Antrag des Betriebsrats mit Beschluss am 14.10.2016 (AZ: 3 BV 22/16) im Wesentlichen stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht Hamm am 10.04.2018 (AZ: 7 TaBV 113/16) zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Hiergegen wendete sich die Arbeitgeberin letztinstanzlich an das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Diese hatte indes ebenfalls keinen Erfolg.
Rechtsfrage nicht von grundsätzlicher Bedeutung
Nach Ansicht des BAG handele es sich bei der Frage des Arbeitgebers nicht um eine von grundsätzlicher Bedeutung für die Rechtsordnung. Auch berühre die anzufechtende Entscheidung mangels tatsächlichen Auswirkungen nicht die Interessen der Allgemeinheit oder zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit.
Die von der Arbeitgeberin formulierte Rechtsfrage lautete:
„Ist § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dahingehend auszulegen, dass selbst bei der Verwendung alltäglicher Standardsoftware, wie etwa dem Programm Microsoft Excel, bereits die bloße Erleichterung schlichter Additionsvorgänge oder die bloße Möglichkeit der Verwendung von Funktionen, die allenfalls eine ebenso händisch mögliche Auswertung erleichtern, für die Annahme ausreicht, dass diese Standardsoftware zur Überwachung bestimmt ist, ohne dass hier zumindest eine gewisse Geringfügigkeitsschwelle überschritten werden muss?“
Mithin wollte die Arbeitgeberin wissen, ob die Verwendung von Standardsoftware, die lediglich genutzt wird, um die händische Erfassung abzulösen, mitbestimmungspflichtig sei.
Mitbestimmung bei Software bereits entschieden und nicht klärungsbedürftig
Das BAG positionierte sich hierzu recht eindeutig und führte aus, dass die Rechtsfrage bereits nicht klärungsbedürftig sei. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung auch nicht offenkundig sei.
Diese Voraussetzungen lägen indes nicht vor, da bereits für andere Datenverarbeitungssysteme zur Personalverwaltung (wie etwa SAP ERP) entschieden wurde, dass diese der Mitbestimmung des Betriebsrats bedürfen.
Zudem sei offenkundig, dass für andere softwarebasierte Personalverwaltungssysteme nichts Abweichendes gelten könne, auch wenn es dabei um „alltägliche Standardsoftware“, wie das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel als Bestandteil des Office-Pakets, gehe. Daneben wies das BAG darauf hin, dass es sich bei einem SAP-Programm ebenso um ein Standardsoftwareprodukt handle.
Händische Eingabe und Sammeln von Informationen als Teil der Überwachung
Mithin sei der Betriebsrat bei jeder Art von technischen Einrichtungen einzubeziehen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, einzubeziehen. Dabei ist ein datenverarbeitendes System zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmer immer dann gegeben, wenn es individualisierte oder individualisierbare Verhaltens- oder Leistungsdaten erhebt und aufzeichnet.
Dies sei insbesondere unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die erfassten und festgehaltenen Verhaltens- oder Leistungsdaten überhaupt auswerten oder zur Verhaltenskontrolle heranziehen will. Denn als Überwachung wird nicht nur das Auswerten bereits vorliegender Informationen angesehen, sondern vielmehr schon das Sammeln der Informationen als solche.
Keine „Geringfügigkeitsschwelle“ bei Mitbestimmungsrecht
Daneben stellte das BAG klar, dass es eine „Geringfügigkeitsschwelle“ beim Mitbestimmungsrecht nicht gibt, um die Rechte der Mitarbeiter in ausreichendem Maße zu wahren:
„Desgleichen liegt auf der Hand, dass es für die „Bestimmung zur Überwachung“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht auf eine – wie auch immer im Einzelnen verfasste – „Geringfügigkeitsschwelle“ ankommt.
Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind.
Die auf technischem Wege erfolgende Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung bergen die Gefahr in sich, dass sie zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht werden, die anonym personen- oder leistungsbezogene Informationen erhebt, speichert, verknüpft und sichtbar macht. Den davon ausgehenden Gefährdungen des Persönlichkeitsrechts von Arbeitnehmern soll das Mitbestimmungsrecht entgegenwirken.
Nach diesem höchstrichterlich geklärten Zweck des Mitbestimmungsrechts scheidet die Annahme des Überschreitens einer „Erheblichkeits- oder Üblichkeitsschwelle“ als Voraussetzung für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG von vornherein aus.
Zumal offenkundig ist, dass im Zusammenhang mit digitaler Personalverwaltung erfasste Daten – unabhängig von der konkret genutzten Software – für Verarbeitungsvorgänge zur Verfügung stehen, die für eine Überwachung genutzt werden können.“
Was bedeutet dies für die Praxis?
Nach § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Dazu gehört auch jegliches Zeiterfassungssystem. Denn dieses wird in aller Regel dazu geeignet sein, das Verhalten der Arbeitnehmer zu kontrollieren – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber dies vorhat oder nicht.
Hierbei ist zu beachten, dass der Betriebsrat zwar das Recht hat, die konkrete Nutzung des Systems mitzugestalten, nicht aber welches Zeiterfassungssystem zum Einsatz kommt oder ob ein solches überhaupt eingeführt wird.
Insofern ist dem Arbeitgeber zu raten, den Betriebsrat (sofern vorhanden) bereits in der Planungsphase mit einzubeziehen und über die konkrete Ausgestaltung des Systems zu diskutieren, um böse Überraschungen im Nachhinein zu vermeiden. Wie das Beispiel des BAG zeigt, ist davon auszugehen, dass alle technischen Einrichtung zur Zeiterfassung vom Mitbestimmungsrecht umfasst sind. Neben der klassischen Stechuhr und neueren Systemen – wie etwa Projektmanagement-Tools, die die aufgewendeten Ressourcen tracken – auch jegliche Art von (Standard)Software. Selbst wenn es sich dabei um eine schlichte Liste in Word oder Excel handelt, in welcher die Arbeitszeiten händisch erfasst werden.
Daneben sollte auch eine entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen und der Datenschutzbeauftragte einbezogen werden. Der Inhalt hat sich durch die Anwendbarkeit der DSGVO nur unwesentlich geändert.
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